Wo Phönix, Regent und historischer Riesling wachsen
2016 gruben 25 Weinbrüder am Weinberg in Steinau 520 Löcher mit einer Tiefe von jeweils 40 Zentimetern. Sie setzten 260 Regent-Rotweinreben und 260 Phönix-Weißweinreben hinein. Bereits nach zwei bis drei Wochen trieben die ersten zarten Blättchen aus. Die Weinlese nur ein Jahr danach, brachte schon reiche Ernte. Nachdem die Trauben gewaschen und gepresst wurden, lagern nun jeweils 250 Liter weißer und 250 Liter roter Traubensaft bei Winzer Frank Dietrich in Großkarlbach in der Pfalz, wo der Steinauer Wein ausgebaut wird.
Wie kam es zum neuerlichen Weinanbau in Steinau? Mitglieder des Steinauer Geschichtsvereins hatten sich daran erinnert, dass vor Jahrhunderten an den Südhängen der Stadt ehedem Weinreben gewachsen waren. Mehrere Missernten in Folge hatten damals den regionalen Weinanbau zunichte gemacht. Später zerstörte die Reblaus die Weinrebenbestände im Kinzigtal. Noch heute erinnern hier vielerorts Flurbezeichnungen an den historischen Weinanbau.
Die Weinbruderschaft ad Via Regia erwarb ein Areal oberhalb von Industriegebiet und Bundesautobahn und legte hier einen Weingarten an. Als „Katharinengarten“ entlehnte der Weingarten seinen Namen der Schutzpatronin der Stadt Steinau.
Die Weinbruderschaft ist Teil des Geschichtsvereins der Stadt Steinau. Die 25 so genannten Weinbrüder bewirtschaften jeweils 25 Weinstöcke.
Vertraglich ist festgelegt, dass die Weinbrüder der Stadt Steinau alljährlich einen Teil ihres Weins für Repräsentationszwecke überlassen.
Die geologische Beschaffenheit des Bodens mit 350 Millionen Jahre altem Rotschiefer, auf dem 240 Millionen Jahre alter Muschelkalk ruht, sei für den Weinbau hervorragend geeignet, freut sich Thorsten Dietrich. Als Vorsitzender der Weinbruderschaft ist der Jurist einer derjenigen, die den Weinanbau in ihrer Heimatstadt vorantreiben. Vereinzelt fanden die Weinbrüder sogar Vulkanbomben, deren Ursprung von Vulkanausbrüchen im Vogelsberg herrührt.
Idyllisch liegt der Steinauer Katharinengarten heute am Hang des Kinzigtals hoch über Steinau. Eine massive hölzerne Wetterhütte lädt nun auch Wanderer zum Verweilen ein.
In einer beachtlichen Geschwindigkeit und mit harter Arbeit hatten die Mitglieder der Weinbruderschaft ad Via Regia angepackt und jede Menge Löcher gebohrt, um den 1000 Quadratmeter umfassenden Weingarten durch einen Wildschutzzaun vor Wildschweinen und anderen Wildtieren zu schützen. An 162 Stickeln sind die beiden Drähte gespannt, an denen sich die Weinreben jetzt entlang ranken. Sie mussten in tiefen Löchern verankert werden. Zusätzlich sorgen 12 End-Anker für die Standfestigkeit.
Beim Graben der Löcher am Weinberg machte den Weinbrüdern der feuchte, schwere Lehmboden zu schaffen. Außerdem transportierten sie etliche Schubkarren voller Steine aus dem bepflanzen Gelände.
Rosen blühen an den Stirnseiten der Weinrebenbepflanzung. Die gelten als Frühindikatoren für Blattlausbefall und Mehltau. Eine Mispel soll ebenso wie ein Mandelbäumchen Wildinsekten anlocken. Auch eine Weinbergquitte gehört zur Bepflanzung.
Ein großes Insektenhotel sowie kleinere Behälter als Lebensraum für weitere Nützlinge komplettieren die Ausstattung des Katharinengartens.
Nach dem dritten Jahr ist zwischen den Weinrebenreihen eine Begrünung mit einer Weinbergeinsaat vorgesehen. Bis dahin müssen die Weinbrüder dem wuchernden Unkraut immer wieder mit der Hacke zu Leibe rücken.
Die Weinbruderschaft ad Via Regia betreibt ihren Weinanbau biodynamisch. Das heißt, dass auf chemische Mittel in der Bewirtschaftung verzichtet und zur Düngung ein Hornmistpräparat verwendet wird.
Die Weinbruderschaft hatte die erste Genehmigung des Weinbauamtes Eltville beim Regierungspräsidium Darmstadt für Hobby-Winzer mit einer Fläche von bis zu 1000 Quadratmetern erhalten. Lange Jahre waren es lediglich 100 Quadratmeter gewesen, die von Hobby-Winzern bewirtschaftet werden durften.
In diesem Jahr pflanzten die Weinbrüder zusätzlich eine Reihe Riesling-Reben, die aus zwei überlebenden historischen Weinstöcken von 1820 veredelt worden sind. Über diese Rarität freut sich die Weinbruderschaft ganz besonders.
Einige hundert Meter vom Katharinengarten entfernt wachsen die beiden historischen Weinreben hoch in die dort stehenden Bäume hinein. Sie sollen demnächst als Naturdenkmäler ausgezeichnet und dadurch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ein Antrag der Stadt Steinau dazu läuft beim Main-Kinzig-Kreis und die Weinbruderschaft hat sich vertraglich verpflichtet, das Naturdenkmal zu pflegen.
Ein Artikel vom Magazin „Dehaam“ IM MAIN-KINZIG-KREIS
Text und Bilder von Barbara Kruse