Rebstöcke sind nun Naturdenkmal

Landrat Stolz überreicht die Urkunde / Pflanzen im April nur schwer zu sehen

Gerade sprießt zartes Grün am Wildbirnenbaum in der Steinauer Gemarkung „An der Kehl“. Den Stamm und die Äste entlang reckt sich unscheinbar ein zurzeit gänzlich kahles Stämmchen eines historischen Rebstocks.

Dieser sowie ein weiterer Rebstock wenige Meter entfernt stammt aus der letzten Weinbauperiode in Steinau von 1821 bis 1846. Die historischen Rebstöcke haben den Angriff der Reblaus Mitte des 19. Jahrhunderts, Kriege und Klimaveränderungen überstanden. Landrat Thorsten Stolz (SPD) persönlich überbrachte jetzt die Urkunde zur Ausweisung des Naturdenkmals.


Der Landrat erklärte, mit der Ausweisung sei dies ein guter Tag für die Brüder-Grimm- Stadt Steinau, den Geschichtsverein und die „Weinbruderschaft ad via regia a. d. 1670“. Er dankte dem Geschichtsverein und der Weinbruderschaft dafür, dass sie die seit 700 Jahren dokumentierte Geschichte des Weinanbaus – der wahrscheinlich über 1000 Jahre zurückreiche – als ein Stück Heimatgeschichte ins Bewusstsein rücken und den Weinanbau als Hobby wieder aufgenommen haben.


Stadtrat Arnold Lifka erklärte, die Stadt Steinau wolle die Aktivitäten der Weinbruderschaft weiterhin unterstützen. Schließlich lebten alle aus der Geschichte. Hans-Joachim Bier-Kruse hatte die Ausweisung des Naturdenkmals seitens der Weinbruderschaft sowie als Vorstandsmitglied des Geschichtsvereins Steinau initiiert und vorangetrieben. Als Naturparkführer des Naturparks Hessischer Spessart erkläre er den Besuchern die über 700-jährige Geschichte des Steinauer Weinanbaus. Die Ausweisung der historischen Weinreben als Naturdenkmal sei von großer Bedeutung.


Von der Idee des Naturdenkmals bis zur Ausweisung sei es ein längerer Weg gewesen. Unterstützt hätten diesen Weg Hans-Joachim Knobeloch, der die bis dato im verborgenen wachsenden zweihundert Jahre alten Reben im Jahr 2012 in das Licht der öffentlichen Wahrnehmung gerückt hatte. Die Stadt Steinau unterstützte den Antrag auf Ausweisung als Naturdenkmal bereitwillig, indem sie als eigentliche Antragstellerin auftrat. Hier sei insbesondere Claudia Bäumer zu nennen.


Die Idee und der Entwurf seien eine Sache, die Ameisenarbeit der Flurstücks Bestimmung, Klärung der Eigentumsverhältnisse und Nutzungsansprüche an das Gelände müssten im Hintergrund geleistet werden. Ferner dankte er Bernd Leutnant und seinem Team in der Unteren Naturschutzbehörde. Thorsten Stolz und Susanne Simmler wären den Nachfragen nach dem Stand des Verfahrens in den vergangenen fast zwei Jahren im persönlichen Gespräch immer mit Geduld und Interesse begegnet.


Die historischen Weinreben sind ein Naturdenkmal, das vom Betrachter entdeckt werden muss. Im April ist im Grunde nicht viel zu sehen, und selbst im Sommer muss man genau hinschauen, um die Weinblätter und die Trauben inmitten der Wildbirne zu entdecken. Es passe hervorragend in die Naturerlebnispädagogik, den Blick der Besucher auf das Unscheinbare, Verborgene zu lenken. So entstehe plötzlich etwas ganz Großes, wie hier der Blick auf über 700 Jahre Weinanbau in Steinau.
Der Weinbau an dieser Stelle geht bis ins Spätmittelalter zurück. 1316 hatte Abt Peter vom Main vom Säkularstift Peter und Paul in Salmünster seinen Weinzehnten von der Stadt Steinau eingefordert. Der belief sich auf drei Ohm. Ein Ohm hat circa 150 Liter.


Früher reichte der Steinauer Weinanbau allein auf dieser Seite der Kinzig vom Flurstück Hundsrück im Osten an der Landesstraße in Richtung Freiensteinau bis zum Flurstück Hühnerpfad im Westen fast schon bis an die Landesstraße nach Umbach. Hier sind noch die Reste alter Terrassengärten zu finden. Auch nördlich der Kinzig wurde Wein angebaut, beispielsweise am Entenbusch und am Bellinger Berg. 1543 betrug der Weinausschank in Steinau insgesamt 59 Fuder. Das sind 54000 Liter. Es gab insgesamt 253 Weingärten.


Thorsten Stolz freute sich darüber, dass die jetzt als Naturdenkmal ausgewiesenen Rebstöcke wahrscheinlich von Gelnhäuser Reben des Apothekers Cassebeer abstammen. Damit ist die Ausweisung der historischen Rebstöcke als Naturdenkmal kulturhistorisch für den Main-Kinzig-Kreis von Bedeutung. „Wir freuen uns, dass die alten Weinreben damit geschützt sind“, erklärte Bier-Kruse und berichtete, dass die Weinbruderschaft die Pflege übernehme und das Denkmal mit einer Informationstafel versehen werde: „Wir können uns gut eine Vernetzung zwischen dem Katharinengarten der Weinbruderschaft und diesem Standort vorstellen. Beide Standorte liegen an einem Wanderweg. Denkbar wäre die Einrichtung eines Weges der Steinauer Weinkultur.“

Ein Artikel KINZIGTAL NACHRICHTEN
Text und Bilder BARBARA KRUSE