Ein Artikel der Kinzigtal Nachrichten vom 13.09.2016
Tiefe Fahrrillen, alte Kutschen
-So reiste es sich vor 250 Jahren-
Führung zum Tag des offenen Denkmals
Ein Straßenstück aus dem 18. Jahrhundert sowie die alten Kutschen eines Bäckers, der sein Brot im Winter per Schlitten auslieferte, waren Thema einer Führung des Geschichtsvereins zum Tag des Offenen Denkmals unter Leitung des Vorsitzenden Hans-Joachim Knobeloch.
Vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammt der Straßenabschnitt, der vor einigen Jahren im Stausee bei Ahl gefunden und nun unweit des Brüder-Grimm-Hauses ausgestellt ist. Wie Hans-Joachim Knobeloch den Führungsteilnehmern erklärte, wurde sie wohl vom Militär zu Napoleons Zeit gebaut. Einen Hinweis darauf geben die tiefen Spurrillen im Sandstein, die typisch für das schwere Artilleriegerät der damaligen Zeit seien. Doch nicht nur das Militär, auch die Zivilbevölkerung nutzte die Straße von Frankfurt nach Leipzig und musste dabei diverse Zollstationen passieren, was den Geldbeutel mit zunehmender Strecke immer mehr schmälerte. Während sich so mancher heutzutage über die Verspätungen der Bahn beschwert, so mussten die Reisenden zu früherer Zeit für die Strecke Frankfurt–Leipzig drei bis vier Wochen einplanen. Um dem regen Verkehr zu begegnen, verfügte Steinau um 1900 noch über eine Vielzahl von Gaststätten und Ställen.
Zweites Anschauungsobjekt waren drei alte Kutschen, die der Geschichtsverein angekauft hatte, um sie restaurieren zu lassen. Zwei davon gehörten einst einem Bäcker, so etwa die Schlittenkutsche aus dem Jahr 1890, welche bis 1930 für die Armenküche in Frankfurt unterwegs war. Danach übernahm sie der Bäcker, ließ sein Emblem und den Schriftzug „Delikatessen Imbissstube Stadtküche“ auf die Kutsche prägen und fuhr mit ihr im Winter seine Waren aus. Damit dies gelang, verfügte die Kutsche über ein paar schwere Kufen und ein Schutzblech, das den Schnee abhielt. Die zweite Kutsche, hergestellt von der Wagenfabrik Romeiser Steinau, nutzte der Bäcker im Sommer. Mithilfe eines kleinen Fensters in der Front gab er seine Waren direkt vom Kutschbock aus an seine Kunden. Eine dritte Kutsche war einst, wie Knobeloch erzählte, die Aussteuer bei einer Hochzeit.