Ein Artikel der Kinzigtal Nachrichten vom 2.3.2016
VON MARCUS LOTZ
Katalogisieren, bevor es verloren geht
Der Geschichtsverein archiviert das Gedächtnis der Stadt Steinau
Etwa 3200 Gegenstände und zwischen 6000 und 8000 Bilder lagern im Archiv des Geschichtsvereins Steinau. Damit bei einem derart großen Fundus niemand den Überblick verliert, treffen sich Hans-Joachim Knobeloch und Adolf Fuchs jeden Dienstag zum Katalogisieren in der Amtshofscheune.
In der Ecke eines kleinen Raums im Dachgeschoss des Museums sitzt Hans-Joachim Knobeloch an einem Computer und klappert auf der Tastatur. Neben ihm, an einem Tisch, der fast den ganzen Raum einnimmt, sitzt Adolf Fuchs, dreht und wendet ein altes Bild und sucht nach Details, die Rückschlüsse auf Art, Herkunft und Alter des Objekts zulassen. Wie zwei Detektive versuchen sie den teilweise rätselhaften Gegenständen ihre Geschichte zu entlocken.
In diesem Fall handelt es sich um ein Bild zur Konfirmation aus dem Jahr 1911. Akkurat werden Maße, Zustand, der Vorbesitzer, dessen Wohnort und Beruf festgehalten, bevor das Bild mit einer speziellen Nummer versehen wird.
So tragen Bau- und Konstruktionsteile, Fachwerkkonstruktteile oder Bauausschmückungen die Nummer 1 für Gegenstände aus dem Bereich Architektur, andere Objekte fallen unter die Land- oder Hauswirtschaft. Ein vergilbtes Rechnungsbuch eines Metzgers zeigt etwa die Preise aus den 1920er-Jahren in kaum lesbarer Handschrift und gibt Zeugnis darüber ab, wie die Händler vor Ort regelmäßig beieinander anschreiben ließen.
Auf dem Tisch verstreut liegen Schusterwerkzeuge, Gemälde, Hüte, Hobel, Bücher, ein Gasbrenner und eine ganze Kiste weiterer Gegenstände, direkt daneben ein Bilderwörterbuch, denn längst nicht immer wissen die beiden, was sie da überhaupt vor sich haben. „Das hier ist ein Pflock, den man in die Erde rammen kann, und hier oben lässt er sich umklappen. Wozu er aber gebraucht wurde, das wissen wir nicht“, bekennt Knobeloch. Vieles können die beiden mittlerweile aufgrund ihrer Erfahrung identifizieren, etwa einen kreuzförmigen Metallpflock, der am oberen Ende eine Nummer zeigt und für den Laien ein wenig wie eine Mischung aus Schild und Kaminwerkzeug aussieht. „Diese Pflöcke wurden auf großen Friedhöfen verwendet und kennzeichneten die nummerierten Grabfelder“, weiß Knobeloch. Manches Handwerkszeug aber ist so alt, dass selbst die heute ortsansässigen Handwerker sie nicht mehr zuordnen können.
Nach der Registrierung werden die Gegenstände in luftdichte Behälter gepackt und nach Sachgebieten sortiert im Archiv gelagert. Etwa 3200 Objekte und bis zu 8000 Bilder kamen so mit der Zeit zusammen, manches Foto stammt noch aus den Anfängen der Fotografie in Steinau um 1870. „Manches kaufen wir zwar an, aber vieles stammt aus Privatbesitz. Das sind oft wertvolle Dinge, da sie häufig einmalig sind und irgendwann verloren gehen würden. Bevor es die Leute wegwerfen, findet es hier einen besseren Platz“, erklärt Knobeloch.
Für den Märchensonntag fahndet der Historiker sogar ganz gezielt nach einem sehr speziellen Alltagsgegenstand: „Diesmal nimmt der Märchensonntag Bezug zum Märchen vom Fischer und seiner Frau, die in einer kläglichen Hütte, dem „Pisspott“ wohnen. Da kam uns die Idee, alte Pisspötte zu sammeln und sie zu diesem Anlass in der Rathaushalle auszustellen.“
Abgeben kann man die Gefäße entweder im Brüder-Grimm-Haus oder bei Knobeloch. Einen hat Knobeloch bereits erbeutet und zeigt ein gläsernes Exemplar aus den 50er-Jahren. „Der ist immer so kalt“, habe ihm die Spenderin offenbart, sagt Knobeloch lachend.