Die beliebte Zwergengruppe im Hof des Brüder Grimm – Hauses ist ein Werk der Künstlerin Dorle Obländer (1947 – 2016). Es ist leicht zu erkennen, daß hier das Märchen Schneewittchen gemeint ist. Vielen Betrachtern ist aber nicht mehr bekannt, das diese Gruppe Teil einer größeren Ausstellung Grimms Little Losers war, die in Kassel und teilweise auch in Steinau gezeigt wurde.

Ideen der Künstlerin zur Ausstellung Grimms Little Losers

Die Protagonisten der Grimm´schen Märchen sind weltbekannt und ihr Schicksal ist Allgemeingut: Schneewittchen heiratet den Prinzen, Aschenputtel, Rapunzel und Dornröschen dito. Das  tapfere Schneiderlein gewinnt mit Mut und Witz ein halbes Königreich samt Prinzessin, der Frosch wird wieder zum schönen Prinzen usw.   Auch das Ende der großen Verlierer ist  allen geläufig : Rumpelstilzchens grandioser Selbstzeriss, der Flammentod der Hexe von Hänsel und Gretel oder die Heimkehr in den Pisspott vom Fischer und seiner Frau.

Aber wie geht es wohl den sieben Zwergen ohne Schneewittchen? Und wie fühlt sich der Schwanenbruder, für den das Hemdchen nicht ganz gereicht hat? Wer weiß schon, daß Aschenputtels Stiefschwestern nicht nur hinkend, sondern auch noch blind durchs weitere Leben kommen mußten? Wer  denkt an die  gemeine Ziege aus „Tischlein-deck-dich“, die nun kahl rasiert in der Welt herum springt? Was wird aus Katherlieschen, das das Märchen halbnackt bei Nacht im Rübenacker verläßt? Sind wirklich alle bösen Stiefmütter in glühenden Pantoffeln zu Tode gekommen, oder treiben einige noch unbemerkt Böses? Hatte  je ein Mensch  Mitleid mit der dummen Mutter, die den süßen Brei zum Überkochen brachte?

„Dumm gelaufen“,  würde man heute zu einigen dieser Fälle sagen. Mich interessieren diese „kleinen Verlierer“ der Grimmschen  Märchen  und ich möchte ihnen gerne mit meinen Mitteln Gestalt geben: betonerne Gestalt. Schön wäre natürlich ein Zusammentreffen dieser Figuren. Wo  wäre dafür ein besserer Platz als im Hof und Garten des Brüder Grimm-Hauses in Steinau?

Dorle Obländer

1970 bis 1975 Studium der Kunstpädagogik an der HBK  Kassel mit den Schwerpunkten Fotografie und Film. Anschließend 15 Jahre Lehrtätigkeit an einem Oberstufengymnasium.

Ab 1990 freiberuflich tätig als Plastikerin.

Das Material der Arbeiten von Dorle Obländer ist Zement, aufgetragen über einen Kern, geformt vorwiegend mit den Händen ohne Verwendung von Werkzeug.

Dieser Umgang mit dem Werkstoff zwingt zu klaren, vereinfachten Formen, rauh und grob in der Oberflächenstruktur, weich und fließend in den Linien.

Die Plastiken erzählen mit ironischem Blick von menschlichen Befindlichkeiten: gekränkter Eitelkeit, schmollendem Beleidigtsein, trotzigem Frust. Karikaturhafte Überzeichnung läßt die Gefühlslage der Figuren deutlich werden, das Vertraute ihres lächerlichen Ernstes macht die Nähe zu ihnen leicht.